Musik zur Bibel im Geist der Aufklärung
Einführung zu Joseph Haydns Oratorium "Die Schöpfung"
Das Oratorium „Die Schöpfung“ zählt neben dem von Joseph Haydn (1732–1809) überaus bewunderten Händelschen „Messias“ zu den wenigen vor 1800 entstandenen Werken der Gattung, denen von Anfang an eine ungebrochene Popularität beim Publikum wie bei den Chören beschieden war. Von solcher Begeisterung, die sich mitunter kaum noch in Worte, es sei denn in paradiesische Bilder fassen ließ, zeugt etwa ein Bericht von der Uraufführung am 30. April 1798 im alten Schwarzenberg-Palais zu Wien: „Ekstatisch die Gemüter, überrascht, hingerissen, trunken vor Freude und Bewunderung, erfuhren sie für zwei Stunden nacheinander, was sie noch niemals vorher erfahren hatten: ein seliges Dasein, erzeugt von immer größeren Wünschen, die sich immer erneuerten und immer befriedigt wurden“ (Guiseppe Carpani).
Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde das Werk erst etwa ein Jahr nach der Uraufführung. Aus diesem Anlass nun ließ Haydn einen Konzertzettel drucken mit dem Hinweis, dass er die damals auch nach Einzelsätzen durchaus übliche „Aeußerung des Beyfalls“ nur als „Merkmahl der Zufriedenheit“, nicht aber als „Befehl zur Wiederholung irgend eines Stückes anzusehen“ gedenkt. Und Haydn begründet dies mit der inneren Einheit des dreiteiligen Werkes, dessen architektonische Stimmigkeit – auch um der vergnüglichen Wirkung beim Publikum willen – nicht gestört werden sollte.
Offenbar war der Komponist darum besorgt, dass nicht nur die Einzelnummern, sondern, durch deren „ununterbrochene Folge“, auch die innere Einheit des Gesamtwerkes gebührend zur Wirkung kommt. Zugleich aber benennt Haydn damit eines der Spannungsfelder, auf deren souveräner Integration der Erfolg des Stückes wesentlich beruht. Das lautmalerisch-musikalische Auskosten vieler Einzelmomente (aus einem weiteren Bericht von der Uraufführung: „die Sonne steigt, der Vögel frohes Lob begrüßt die steigende, der Pflanzen Grün entkeimt dem Boden, es rieselt silbern der kühle Bach, …“) steht in einer ausgewogenen Balance zum architektonischen Gesamtbau des Werkes. Dieser wiederum lebt aus dem Wechsel zwischen rezitativischen Passagen und Arien, wobei den Chören zudem die hymnische Steigerung und Schlusswirkung obliegt. Vor allem aber nutzt Haydn die dramatisch-„szenischen“ Momente der Thematik: vom kosmischen Anfangsdrama des musikalisch vorgestellten Chaos bis zum idyllisch-harmonischen Dialog zwischen Adam und Eva im dritten Teil.
Eine hohe Leistung der Integration vollbringt bereits der Musikmäzen und Diplomat Gottfried van Swieten (1733 – 1803) mit seiner Einrichtung des deutschen Librettos auf der Basis englischer Vorbilder (John Milton u. a.). Haydn berichtet, dass ihm bei seinem zweiten Aufenthalt in England ein Schöpfungs-Libretto in englischer Sprache übergeben worden sei. Zusammen mit seiner Begeisterung für Händels Oratorien mag dies als erster Impuls zur Komposition gewirkt haben. Fokussiert erscheint es in einem Bericht, wonach Haydn in London von dem Geiger François-Hippolyte Barthelmon ein geeignetes Sujet für ein Oratorium erbeten habe. Dieser habe daraufhin seine Bibel zur Hand genommen und erwidert: „Nehmen Sie das, und fangen Sie mit dem Anfang an“.
Van Swietens Bemerkung jedoch, er habe dem (nicht erhaltenen) englischen Text ein „deutsches Gewand“ umgehängt, verscheiert ein gutes Stück seiner Arbeit. Dieses „Gewand“ verwendet nämlich nicht nur…
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