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»Frisch, reizend und genial«

Felix Mendelssohn Bartholdys „Lobgesang“
zum Jubiläum des Buchdrucks in Leipzig 1840


„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ Gleich in den ersten beiden Takten, die heute erklingen, intonieren – noch ganz ohne Chor! – die Posaunen diese markante Aufforderung aus dem 150. Psalm. „Maestoso con moto“ – majestätisch und bewegt – wird es klingen. Dann folgt ein orchestrales Hin und Her, wie es eigentlich typisch ist für das wechselchörige Singen der Psalmen. Aber Vokalsolisten und Chor müssen noch warten, bis sie – vom Anfangsmotiv der Posaunen wie herbeigerufen – an der Reihe sind, um „in ihrer Art“ den Höchsten zu loben. Davor stimmt das Orchester – wiederum ohne Gesang – erst noch einen Choral im „Andante religioso“ an. Allerdings hören wir da kein altes Lied aus katholischer oder lutherischer Tradition, sondern eine frisch erfundene choralartige Melodie aus der Feder Mendelssohns.
Beim Komponieren des „Lobgesangs“ hatte Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) vielleicht eine briefliche Warnung seines musikalisch durchaus konservativ eingestellten Vaters noch im Ohr. Ende Februar 1835 hatte Abraham Mendelssohn ihn freundlich ermahnt: „Überhaupt ist mit dem Choral nicht zu spaßen. Das höchste Ziel dabei ist, dass das Volk ihn, unter Begleitung der Orgel, rein singe. Alles andere scheint mir eitel und unkirchlich.“ Felix ist anderer Meinung und nutzt Choräle und Choralhaftes, wenn er – mitten im Konzert – religiöse Töne anschlagen und eine liturgische Atmosphäre erzeugen will. Mit und ohne Gesang. Und genau das will er auch bei diesem Werk, das auf dem Titelblatt des Erstdrucks den Haupttitel „Lobgesang“ und den Untertitel „Eine Symphonie-Cantate“ trägt.
Was aber ist denn eine „Symphonie-Cantate“? Zunächst fast ein Widerspruch in sich. Kritiker stellten Mendelssohn die Frage: Geht es hier um Orchestermusik für den Konzertsaal („Symphonie“) oder um kirchlichen Chorgesang auf Bibelworte und Liedstrophen („Cantate“)? Ein solches Entweder-Oder aber gefällt diesem Komponisten nicht. Denn genau diese beiden getrennten musikalischen Welten will der etwa deißigjährige Mendelssohn hier kunstvoll miteinander versöhnen, ja geradezu symbiotisch eineinander verschränken! Auch an Beethovens Neunte Sinfonie und ihren berühmten Schlusschor auf Schillers „Ode an die Freude“ darf man wohl denken. Allerdings hat dieser Vergleich dem Werk Mendelssohn eher geschadet als genützt, weil allzu rasch nach dem übermächtigen „Vorbild Beethoven“ gefragt wurde. Besser wäre es, den Blick darauf zu richten, was Mendelssohn mit diesem Werk denn beabsichtigt hat. Er sucht nichts Geringeres als die im wahrsten Sinne des Wortes sym-phonische Einheit von Wort und Klang, von vokalen und instrumentalen Klangwelten.
Werfen wir einen zweiten Blick auf die Titelseite der Partitur. Ganz oben steht – im Layout bogenförmig gewölbt, ja fast aufgespannt wie ein Schirm – als Zitat von „Dr. M. Luther“ das Motto: „Sondern ich wöllt alle Künste, sonderlich die Musica, gern sehen im Dienst dess, der sie geben und geschaffen hat.“ Alle Künste: Dichtung und Musik, Singen und Spielen, mit Chor und Orchester. Wie aber kommt Mendelssohn auf Luther? Der als Kind jüdischer Eltern geborene Komponist – sein Großvater war der große Humanist und Bibelübersetzer Moses Mendelssohn, die Urgestalt für Lessings „Nathan, der Weise“ – wurde schon früh protestantisch getauft. Bald jedoch entwickelt er sich zum nicht nur musikalischen, sondern auch zum religiösen „Weltbürger“. In Rom faszinieren ihn die katholischen Klänge in der Capella Sixtina, in einem Frauenkloster die Nonnen mit den „süßesten Stimmen von der Welt“, in der Schweiz sogar das Jodeln. Auch vor der Komposition eines „Ave Maria“ schreckt dieser Protestant nicht zurück, der immer Jude geblieben ist.
Und doch sind die für Mendelssohn wichtigsten historischen Gestalten zum einen der Reformator ...


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