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Zu Franz Schmidts Oratorium
„Das Buch mit sieben Siegeln“




„Wenn es meiner Vertonung gelingt, diese beispiellose Dichtung, deren Aktualität jetzt, nach achtzehneinhalbhundert Jahren, so groß ist wie am ersten Tage, dem Hörer von heute innerlich nahe zu bringen, dann wird dies mein schönster Lohn sein.“ Mit diesen Worten beschließt der österreichische Symphoniker Franz Schmidt (1874–1939) seine Konzerteinführung in das „Buch mit sieben Siegeln“. Er verfasste den Einführungstext anlässlich der Uraufführung am 15. Juni 1938 in Wien. Beendet hatte er das abendfüllende Werk schon am 23. Februar 1937. Die politischen Umstände – Hitlers Einmarsch in Wien – hatten jedoch eine frühere Aufführung verhindert. Seine großbesetzte Komposition deutet der Komponist als antwortende Stellungnahme zum biblischen Wort „vom Standpunkte des tiefreligiösen Menschen und Künstlers“.
Impulse zur Komposition waren zum einen das dramatisch-oratorische Interesse Schmidts, zum anderen wohl auch die persönliche Dankesgeste nach schwerer Krankheit. Die Textvorlage hat der Komponist selbst als Bearbeitung des letzten biblischen Buches eingerichtet, wobei er als Katholik im Wesentlichen auf die bildhaft-musikalische Luther-Übersetzung zurückgreift. Sein Ziel war es insgesamt, die „geradezu unübersehbaren Dimensionen des Werkes auf durchschnittlichen Menschenhirnen fassbare Maße“ zu bringen. Der Bau des prophetischen und zugleich hochsymbolischen Trostbuches sollte dabei intakt bleiben.
Überaus schlüssig ist die in jeder Hinsicht großdimensionierte oratorische Gesamtanlage: Der Solotenor verkörpert den Seher Johannes; hinzu treten Solistenquartett und Chor. Dem Orchester obliegt die Begleitung im hochdramatischen Stil, wobei der Orgel als „souveränem Klangköper“ eine besondere Rolle zukommt, vor allem in der solistischen Einleitung der Hauptteile.
Den Rahmen des Werkes bildet das zweifache Auftreten des Johannes, so dass der „Prolog im Himmel“ mit der „Begrüßungsansprache“ des Sehers das Pendant zu dessen Abschiedsrede ist, der ein „Dankgottesdienst“ und eine gregorianisch-klösterliche Szene vorausgehen. Dazwischen entfaltet Teil I die „Geschichte der Menschheit“ mit der Lösung der sechs Siegel, bevor in Teil II das siebte Siegel geöffnet wird und nach einem „großen Schweigen“ der „neue Himmel und die neue Erde“ musikalische Gestalt gewinnen. Kein anderer Gesang könnte das besser krönen als ein hymnisches „Halleluja“ aus dem Mund der Geläuterten.
Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“ ist Musik zur Bibel als konzertante Verkündigung und komponiertes Gebet. Hauptaspekte sind die dramatische Vergegenwärtigung der einzelnen apokalyptischen Szenen, außerdem die musikalische Kontrastierung, etwa mit den gegensätzlichen Mitteln der Diatonik und Chromatik. Obwohl er die „Aktualität“ des biblischen Trostbuches geradezu beschwört, hat Franz Schmidt dessen Thematik des Kampfes zwischen Christus, dem Herrscher, und den widergöttlich-totalitären Mächten weitgehend ausgeblendet. Damit rückt die politische Dimension, die das letzte biblische Buch in den Kapiteln 13–18 entfaltet, in den Schatten. Eindrückliche Vergegenwärtigung erfahren jedoch zahlreiche Aspekte und Gesten des Trostes bis hin zum endzeitlichen Bild, das in seiner verheißenen Fülle zukünftig bleibt und dennoch, nicht zuletzt in der Musik, Gegenwart werden kann: „Er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen …“....


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