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„Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“

Zelenkas Magnificat und Bachs Weihnachtsoratorium


Dass sich hinter den fünf markanten Paukenschlägen am Beginn des Weihnachtsoratoriums in Wort und Klang eine weltliche Kantate verbirgt, ist weithin bekannt. Imperative rufen im Original die Instrumente gleichsam herbei: „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten! Klingende Saiten, erfüllet die Luft!“ Sogleich folgt auch das vokale Ensemble der Aufforderung „Singet itzt Lieder, ihr muntren Poeten!“ Allein der Komponist Bach (1685–1750) war in der Adventszeit 1734 so vertieft in das Abschreiben der Noten seiner Vorlage, dass er gleich beim ersten Choreinsatz die nötige Umtextierung vergessen hat. Also war eine kleine Korrektur erforderlich, damit auch in der Partitur der richtige weihnachtliche Text steht: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage!“.

Wenige Jahre zuvor hatte der Dresdner Komponist Jan Dismas Zelenka (1679–1745) eine zumindest vergleichbare Idee. Frei nach Bachs Musik zu „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“, die er freilich nicht kennen konnte, erweiterte er sein Magnificat in D-Dur aus dem Jahr 1725 für einen festlichen Gottesdienst um zwei Trompeten und Pauken. Diese Ergänzungsstimmen, die das Werk zu einem „Magnificat solemnis“ machen, wurden erst in den 1980er Jahren zwischen einer auf den 23. März datierten Psalmkomposition Zelenkas entdeckt. War die Trompeten-Fassung also womöglich für das Fest Mariae Verkündigung am 25. März 1726 bestimmt? Heute erklingt Zelenkas Magnificat als festlich-adventliches Präludium zu den Teilen I–III von Bachs Weihnachtsoratorium.

Als der aus Böhmen stammende, in Prag ausgebildete und in Dresden als höfischer Kontrabassist und „Kirchen-Compositeur“ wirkende Jan Dismas Zelenka sein Magnificat schrieb, stand die Kirchenmusik am katholischen Dresdner Hof in voller Blüte. Aber war es im protestantischen Leipzig nicht ähnlich? Dort nämlich schuf der Thomaskantor Johann Sebastian Bach um die Mitte der 1720er Jahre seinen Kantaten-Kosmos, den er in den 1730er Jahren gezielt mit Oratorien und lateinischen Messen ergänzt hat. Dass Zelenka und Bach sich persönlich gekannt und geschätzt haben, erfahren wir von Bachs zweitältestem Sohn Carl Philipp Emanuel. Etwa ein Jahr vor dem Weihnachtsoratorium waren die beiden sogar unfreiwillige „Leidensgenossen“. Damals wurde Zelenkas mehrfach und demütig vorgetragene Bewerbung um die Stelle des Hofkapellmeisters von August dem Starken persönlich mit dem harschen Hinweis „Soll sich gedulden“ abgeschmettert. Bach hingegen spekulierte zur gleichen Zeit auf einen Ehrentitel am Dresdner Hof, für den er die Kyrie-Gloria-Messe h-Moll als eine Art „catholisierendes Bewerbungsstück“ in die Waagschale wirft. Den Titel erhielt er zwar, doch es kam zu keinen nachweisbaren Kompositionen. Zelenka wiederum komponierte Kirchenwerk um Kirchenwerk, bezahlte Noten und deren Abschreiber aus eigener Tasche, doch die Anerkennung blieb ihm zeitlebens versagt. Zunächst wurde ihm Johann David Heinichen als Hofkapellmeister vorgezogen, dann der berühmte Johann Adolph Hasse. Nur zu moderaten Gehaltserhöhungen und zum Titel „Kirchen-Compositeur“ ließ der Hof sich bewegen. ...


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