»Klar, doch unerklärbar«
Die Versöhnung der Gegensätze im Weihnachtsoratorium
Von Goethes Altersfreund Carl Friedrich Zelter (1758–1832), dem Leiter der Berliner Singakademie, stammt die in der Überschrift zitierte Charakterisierung der Musik Bachs, die gewiss auch für das Weihnachtsoratorium gilt. »Klar« ist dieses Werk, weil seine Musik ebenso sinnlich wie sinnvoll erklingt und weil sie über die Epochen hinweg als musikalische Bibelauslegung verstanden wird, bisweilen mit zusätzlichen Schwerpunkten wie »Komponiertes Gebet« (Arien und Accompagnati) und Antwort der Gemeinde auf die weihnachtliche Botschaft (Choräle). »Unerklärbar« jedoch ist und bleibt der unerschöpfliche Reichtum an Perspektiven, den das Werk »theoretisch« wie aufführungspraktisch eröffnet. Und dazu gehört nicht zuletzt die Frage, wie einheitlich dieses Oratorium letztlich ist.
Bach hat seine sechsteilige Weihnachtsmusik in den Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai zur Jahreswende 1734/35 nicht konzertant uraufgeführt, sondern im gottesdienstlichen »Rhythmus der Liturgie« aufgeführt. Jeder Teil des Oratoriums tritt an die Stelle der üblichen Kantate im Vormittagsgottesdienst; und vier Teile erklingen zudem am gleichen Tag auch noch in der nachmittäglichen Vesper der jeweils anderen Hauptkirche. All dies lässt auf eine große Nähe zwischen Musik und Liturgie schließen, wirft aber zugleich die Frage auf, ob und wie die damaligen Hörerinnen und Hörer das Werk überhaupt als Einheit erleben konnten. Betrachten wir zudem die in jenen Leipziger Gottesdiensten gelesenen Evangelienabschnitte, dann wird offenkundig, dass an den meisten Tagen der biblische Bericht des Oratoriums weder mit dem Evangelium noch mit den (leider nicht erhaltenen) damaligen Predigten in Übereinstimmung stand. Gerne wüsste man, was Bach hierzu gedacht hat. ...
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