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Johann Sebastian Bach: Bass-Kantaten „Kreuzstab“, „Ich habe genug“ und „Der Friede sei mit dir“


Lebenslust und Sterbekunst in Johann Sebsastian Bachs Musik


„Gegen Ende des Mittelalters wimmelte es von anonymen Schriften mit dem Titel ‚Die Kunst zu sterben‘. Ihr Erfolg war ungeheuer. Kann ein solches Thema heute noch jemanden rühren?“
So fragt Emile Michel Cioran in seinem Essay „Von Tränen und von Heiligen“ (1937). Und gewiss hätten dem von Bach begeisterten rumänisch-französischen Skeptiker Antwortversuche wie dieser gefallen: Ja, die „Ars moriendi“ ist und bleibt aktuell, nämlich dann, wenn Sterbekunst mit Lebenslust einher geht und wenn Johann Sebastian Bach es ist, der diese Balance komponiert. Die drei Leipziger Solokantaten für Bass, deren Textdichter namentlich nicht bekannt sind, sind in recht verschiedenen biografischen und liturgischen Kontexten entstanden.
Die „Kreuzstabkantate“ (BWV 56) erklang erstmals am 19. Sonntag nach Trinitatis, dem 27. Oktober 1726. Ob Bach das mit dem seltenen Titel „Cantata“ überschriebene Werk später nochmals aufgeführt hat, bleibt ungewiss, was in einem merkwürdigen Kontrast zur heutigen Bekanntheit steht. „Der Friede sei mit dir“ (BWV 158) ist eine Zusammenfügung heterogener Elemente, wobei aber deutlich eine zweifache liturgische Bestimmung durchschimmert: zum einen für das Fest Mariae Reinigung (2. Februar) mit der wichtigen Gestalt des greisen Simeon, der zum Sterben bereit ist, nachdem er das Jesuskind in seine Arme und in sein Herz geschlossen hat; und zum anderen für den Dritten Osterfesttag, aus dessen Evangelium die Zusage Jesu „Der Friede sei mit euch“ stammt. Die Kantate „Ich habe genung“ (BWV 82) schließlich – hier handelt es sich nun eindeutig um ein Werk zu Mariae Reinigung – ist in Bachs kirchenmusikalischer Praxis ab dem 2. Februar 1727 über zwei Jahrzehnte hinweg in immer wieder neuen Fassungen erklungen. Ursprünglich war wohl eine Kantate für die solistische Altstimme geplant, deren Solopart Bach aber bereits für die erste Aufführung dem Bass zugewiesen hat – um später dann auch noch eine Version für Sopran und Flöte zu komponieren.
Die älteste Musik des heutigen Konzerts hören wir in den beiden Orchesterwerken. Das erste ist die mit „Sinfonia“ überschriebene konzertant-instrumentale Einstimmung zu einer Kirchenkantate für den ersten Sonntag nach Ostern, der auch „Quasimodogeniti“ heißt. Am 8. April 1725 hat Bach diese Kantate „Am Abend aber desselbigen Sabbats“ (BWV 42) aufgeführt, die er in seiner handschriftlichen Partitur als „Concerto da Chiesa“ bezeichnet. Über jene Wochen in Bachs Leben und Schaffen wüsste man gerne Genaueres! Um Ostern 1725 nämlich bricht aus bislang unerfindlichen Gründen Bachs Jahrgang der Choralkantaten unvollendet ab. Die Thomaner hatten zudem am Karfreitag 1725 die zweite Fassung der Johannespassion auf dem Programm und am Ostersonntag die Kantate „Christ lag in Todesbanden“ (1707?) über Martin Luthers Osterlied. Deshalb ist es gut denkbar, dass Bach am Sonntag nach Ostern im Blick auf die knappe Probenzeit auf einen Eingangschor verzichten wollte oder musste.
Wenn dem so war, verdanken wir der vielleicht aus der Not geborenen Entscheidung Bachs eine erlesene Musik, in der Streicher und Bläser doppelchörig miteinander konzertieren. Instrumentale Beschwingtheit mischt sich mit Gesten des Gesangs, woran Bach die Bläser am Beginn des Mittelteils durch die Vortragsbezeichnung „cantabile“ eigens erinnert. Schließlich ist ja das vokal-instrumentale Verhältnis...


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