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Weihnachtsklänge in Händels „Messias“ und Bachs „Magnificat“


Dass die beiden Komponisten des heutigen Programms sich nie persönlich begegnet sind, bleibt ein wenig tragisch. An Versuchen dazu hat es ja nicht gefehlt. Umso schöner, dass ihre affekt- und effektvolle geistliche Musik in diesem Konzert gemeinsam erklingt. In beiden Werken spielt das erste Kapitel des Lukasevangeliums eine Rolle, weil sich hier sowohl die von Händel vertonte Weihnachtsszene als auch der von Bach komponierte Lobgesang der Maria findet. Doch auch das Alte Testament klingt vielfach an. Händel zeichnet in seinem 1742 in Dublin erstmals aufgeführten "Oratorium aller Oratorien" ein musikalisch-konzertantes Bild des „Messias“. Beständig greift er die theologische Spannung von alttestamentlicher Verheißung und neutestamentlicher Erfüllung auf. Bach wiederum vertont in seinem ersten Leipziger Amtsjahr 1723 - vermutlich bereits zum 2. Juli, dem Fest Mariae Heimsuchung - den Lobgesang der Maria aus dem Lukasevangelium, dessen Wurzeln tief in die Psalmen des Alten Testament zurückreichen.
„Subject is Messiah“ - der Messias ist das Thema, in Wort und Ton. Diese prägnanteste aller Inhaltsangabe lesen wir in einem Brief von Charles Jennens (1700-1773), der die Bibelworte zusammengestellt hat, die zu Händels facettenreichem Werk die Textgrundlage bilden. Nichts weniger als eine dramatische Gesamtsicht der Heilgeschichte soll zum Klingen gebracht werden. Mit „Messiah“ nennt der Librettist einen der vielen Namen für Christus. Der Komponist intensiviert dies musikalisch, indem er die Darstellung dramaturgisch gliedert und steigert, was kaum denkbar wäre ohne seine Erfahrungen als Opernkomponist. Der 1742 erstmals aufgeführte "Messias" zeigt somit eine typisch-doppelte Verwurzelung: textlich in der Predigt, kompositorisch im Musikdrama.
Wie jedoch gestaltet sich der Aufbau dieses Werkes, das auf den ersten Blick ohne einheitliche Handlung auskommt? Nur oberflächlich betrachtet wirkt die musikalische Zeichnung des Messias als kaleidoskop-artige Zusammenfügung. Wir hören ein locker gefügtes Ensemble von Gottes- und Menschenbildern, das in der Gestalt des Messias kulminiert. Ein erstes Gottesbild erklingt nur instrumental: Eine Französische Ouvertüre stimmt ein auf das Kommen eines Königs. Gleichsam kontrapunktiert wird dieser Eingangssatz von der zarten Hirtensinfonie im ersten Teil: Dieser König kommt in menschlicher Niedrigkeit zu den Entrechteten, um sie als "Guter Hirte" zu sammeln.
Das erste Accompagnato für Tenor macht den Sänger zur Verkörperung des Heilspropheten und "Rufers in der Wüste". Die Hörer werden so zu den Empfängern seiner tröstlich-mahnenden Botschaft. Dieses Einbeziehen des Publikums in das "Grand musical entertainment" (Charles Jennens über Händels "Messias") schafft Möglichkeiten zur persönlichen Identifikation mit dem Geschehen und ist eines der Erfolgsrezepte von Händels Oratorien. Immer verknüpft er die Schilderung der Affekte mit Bildern: „Alle Tale macht hoch und erhaben“ wird so zu einer musikalischen „Berg- und Talfahrt“, die gegen Ende in lange Haltetöne als Sinnbild des geebneten Weges mündet. Dem Chor obliegt es, solche „Szenen“ mit einem hymnischen Gotteslob wie „Glory to God“ abzurunden. Bei der berühmten Hirtensinfonie spielt Händel mit dem Wort "Hirte" einem weihnachtlichen Gegensatz: Die Schilderung der Hirten auf dem Felde führt hin zum Messias...


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