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Ein komponiertes Triptychon

Zur inneren Einheit von Händels „Messiah“

„Händel sagt, er wolle im kommenden Winter
nichts unternehmen. Ich hoffe aber, ihn
davon zu überzeugen, eine Sammlung von
Bibeltexten zu vertonen, die ich für ihn
zusammengestellt habe. Ich wünsche mir, dass
er seine ganze Erfindungsgabe und alle seine
Fähigkeiten darauf verwendet, damit diese Komposition
alle früheren Werke übertrifft, wie auch der
Gegenstand des Textes vor jedem anderen
hervorsticht: Das Thema ist der Messias.“

Charles Jennens

Händels „Messiah“ ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes, seine anderen Kompositionen „übertreffendes“ Werk. Es ist das erste Oratorium der Musikgeschichte, das sich von Anfang an einer ungebrochenen Beliebtheit beim Publikum wie bei den Chören erfreut. Nicht einmal den großen Vokalwerken Bachs wurde dies zuteil; mussten sie doch nach einer langen Phase der Vergessenheit im 19. Jahrhundert erst wiederentdeckt werden. Ungewöhnlich ist zudem das Thema, auf das der Librettist Charles Jennens in der eingangs zitierten Notiz verweist. Nicht eine einzelne biblisch-theologische Thematik steht im Mittelpunkt (wie etwa in Haydns „Schöpfung“) oder ein Fest im Kirchenjahr (wie in Bachs „Weihnachtsoratorium“). Vielmehr geht es um eine dreifach gegliederte Gesamtsicht des Messias in Wort und Ton. Die Textgrundlage besteht - auch dies ist eher ungewöhnlich – ausschließlich aus Bibelversen, deren Auswahl und Reihenfolge bereits ein erster Aspekt von „Komposition“ im wahrsten Sinne des Wortes darstellt. Hierbei hat Charles Jennens vorwiegend auf das Alte Testament zurückgegriffen und sich zugleich eng an die in der Liturgie gebräuchlichen Bibelworte gehalten: die tröstliche Botschaft des Propheten Jesaja im Advent (Teil I), der leidende „Gottesknecht“ aus dem gleichen Prophetenbuch für die Musik zur Passion (Teil II), die endzeitliche Hoffnung auf das ewige Leben mit Worten des ersten Korintherbriefes (Teil III), bei deren Auswahl die damalige anglikanische Begräbnisliturgie im Hintergrund steht.

Handlungen jedoch, aus denen ein Oratorium in aller Regel lebt, werden mehr angedeutet und vorausgesetzt als konkret benannt oder gar dramatisch „inszeniert“. Eine solche Gesamtsicht ist mit bildlichen Darstellungen des Messias durchaus vergleichbar: etwa mit dem Bildprogramm der Hauptportalhalle des Freiburger Münsters (vgl. die Abbildung) oder mit einem Altar mit mehreren Flügeln wie dem Isenheimer Altar. Vielleicht kann man die einzelnen „Nummern“ bei Händel sogar als „Momentaufnahmen“ deuten, die von den Hörerinnen und Hören mit der jeweils ganzen biblischen Geschichte zu ergänzen sind; etwa wenn in der Passion nur die Geißelung anklingt, die übrigen Stationen des Kreuzwegs aber mitzudenken sind. …


Bei Interesse am vollständigen Text senden Sie mir bitte eine .

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